Interview ANON Ausgabe 6/97

Mit seinem treibendem, dunklen Powernoise gehört das in Insiderkreisen hochgeschätzte Projekt DAGDA MOR zur Speerspitze des deutschen Industrial und wird sich mit seinem neuen Album "The Border Of The Light" (Functional) sicherlich auch dort festsetzen. Dieser Bericht soll nicht nur ein wenig Licht in das aus Gerüchten, Mythen und Halbwahrheiten bestehende Dickicht, das DAGDA MOR und verwandte Gruppen umgibt, bringen, sondern die Band einem breiteren Publikum vorstellen. Zu diesem Zweck freuen wir uns besonders, daß DAGDA MOR bereit war, uns einige Fragen zu beantworten.





1.Zunächst einmal zum Namen: was bzw. wer genau ist DAGDA MOR?
Ist es ein Begriff, ein Name oder vielleicht ein rein synthetischer Ausdruck ?
Der Name DAGDA MOR kommt aus dem keltischen Kulturkreis. Der
DAGDA ist der keltische Kriegs- und Sonnengott, aber er
musiziert,dichtet und zaubert auch äußerst gern.
Das Wort MOR ist der keltische Begriff für Meer. Im Zusammen-
hang gesehen bedeutet DAGDA MOR der "große" oder "gute
Gott", was man aber im Sinne von "gut in", "fähig zu" ver-
stehen sollte. Das und einiges mehr kann man auch im
"Lexikon der keltischen Mythologie" von Sylvia u. Paul F.
Botheroyd nachlesen, erschienen bei Diederichs im Jahre ‘92.
Dieses Buch gefällt mir persönlich am besten in der Flut von
Literatur, die es zu diesem Thema gibt!
Wer sich allerdings auch ein wenig in der Fantasy-Literatur
auskennt, der wird wissen, daß in den "Shannara"-Büchern von
Terry Brooks der DAGDA MOR als Dämon anzutreffen ist. (was
nicht gerade für gute Recherchen spricht.)

2.Wie bist Du dazu gekommen, diese Art von Musik zu machen?Wann
hast Du DAGDA MOR gegründet, und wer oder was hat Dich dahin-
gehend beeinflußt? Vielleicht kannst Du uns in diesem
Zusammenhang etwas über die "Geschichte" des Industrial (ich
weiß, ein vielgebrauchter-meistens sogar mißbrauchter!-
Begriff, den ich aber trotzdem verwenden möchte) in der ehe-
maligen DDR erzählen - gab es so etwas wie eine Industrial-
oder Avantgarde-Szene? Wenn ja, war sie dann auch so groß
und durchorganisiert wie heutzutage?
Dazu gekommen bin ich eigentlich so, wie wohl jeder, der
selbst Musik macht - durch die Aufnahmen anderer Bands.
Irgendwann denkt man halt: Mensch, das kannst du bestimmt
auch. Tja, und dann fängt man einfach an. Und da ich nie
irgendwelche Reichtümer besessen habe, mußte ich ganz klein
anfangen, mit Keyboard und ein paar Effektgeräten.
Mittlerweile ist ein bißchen mehr dazu gekommen, aber reich
bin ich immer noch nicht. Mist...
Gegründet habe ich DAGDA MOR 1991, und zeitgleich hatte ich
die Idee, ein eigenes Label zu gründen. Und deswegen gibt es
heute die L.O.K.I. Foundation, deren Ruder mir aber mittler-
weile entrissen wurde. Jedoch ist mir das jetzt egal,
da ich für die Zukunft neue Pläne habe; und ich hoffe, daß
die Zukunft im nächsten Jahr beginnt! Beeinflußt wurde ich,
bereits zur Zeit der ostdeutschen Besetzung, durch diverse
Elektronikbands, die hauptsächlich aus der "DDR" kamen. Zum
Beispiel AG Geige, die zwar immer etwas wirre Text hatten,
aber wenn man systemkritisch sein wollte, mußte man das
irgendwie im Text verpacken. Und auch die Punk- und Gruft-
Szene der "DDR" hat mich stark beeinflußt. Es gab eine
Unmenge an Bands und Partys, man hatte viel Spaß (und
Ärger). Nach der Wende ging mir aber dieses ganze
Sozialismusgetümel, das viele selbsternannte Linke an den Tag
legten, extrem gegen den Strich. Schließlich hatte man die
ganze Zeit Ärger mit dem Staat, warum soll man ihn dann
plötzlich für gut erklären? Dieses paradoxe Verhalten entzog
sich doch irgendwann meinem Verstand, und ich zog unter
diesem Kapitel meines Lebens einen Schlußstrich.
Eine Industrial-Szene in der Art, wie wir sie heute
vorfinden, gab es allerdings nicht. Dazu wußte man von dieser
Musik zu wenig.

3.Apropos Ostdeutschland: vom Westen aus gesehen scheint es,
als gäbe es ein riesiges Potential an Labels, Bands,
Organisationen und vor allen Dingen auch ein großes, an
dieser Musik interessiertes Publikum. Woran, glaubst Du,
liegt es, daß sich im Osten Deutschlands so viele Leute für
Industrial interessieren? Oder ist meine Einschätzung falsch,
und es ist, ähnlich wie im Westen, nur eine Hand voll
Menschen, die sich mit Industrial ernsthaft auseinandersetzt?
Apropos Ostdeutschland: meiner Meinung nach lebe ich in
Mitteldeutschland...
Wieviele Bands und Labels es mittlerweile hier gibt, weiß ich
nicht. Meines Wissens nach waren wir die Ersten, die hier im
"Osten" den Karren eben durch die Gründung von L.O.K.I. ins
Rollen gebracht haben. Damals hatten wir aber mehr Kontakte
im Westen, hauptsächlich zur TESCO-Family, zum Turbund und
zu Cthulhu. Im "Osten" gab’s die Szene einfach noch nicht.
Irgendwie gab’s nach dem Fall der Mauer doch eine große
Lethargie unter uns "arbeitsscheuen Ossis", mußten wir uns
doch jetzt selbst um alles kümmern.
Das Publikum ist wohl eher deshalb so groß, weil viele über
die Gruft-Szene mit der Musik in Kontakt kommen. Es gibt ja
kaum reine Industrial-Veranstaltungen, sondern diese Riesen-
Festivals mit Gruft-, NeoFolk- und EBM-Bands, bei denen dann
mal irgendeine Industrial-Band auftaucht. Das beste Beispiel
ist das jährliche Pfingsttreffen in Leipzig.
Die Leute, die sich ernsthaft mit Industrial auseinander-
setzen, machen in der Regel auch selbst Industrial. Das ist
die beste Art, diese "Musik" zu verstehen!

4.Von wegen Industrial: wie ich oben schon angemerkt habe, be-
schreibt dieser Begriff DAGDA MOR natürlich nur sehr unvoll-
kommen. Selbstverständlich ist es immer nur Stückwerk, Musik
in Worte zu fassen, aber wie würdest Du die Musik von DAGDA
MOR beschreiben?
Der bislang beste Begriff, der für meine Musik in Umlauf ge-
bracht wurde, ist "Cold Power Music". Ich finde, das trifft
den Nagel auf den Kopf.

5.Gerüchteweise gab es im Vorfeld der Veröffentlichung von "The
Border Of The Light" Schwierigkeiten aufgrund des Artworks.
Ist dies wahr? Kannst Du uns sagen, worum es dabei ging? Hast
Du bzw. Tesco im Nachhinein Zugeständnisse bei der Gestaltung
der CD gemacht?
Irgend ein besonders staatstreuer Zollbeamter ist wohl auf
die Idee gekommen, die Pakete für TESCO zu öffnen. Und beim
Durchsehen des Booklets sind ihm dann Hakenkreuze und SS-
Runen aufgefallen. (Bislang ist er der einzige,dem die aufge-
fallen sind...) Daraufhin mußte die CD zur Prüfung an irgend
ein Institut, welches die CD auch nach Computerdaten durch-
forstete (was ja auch naheliegt). Bei TESCO wurde ständig
nach den Schlüsselcodes gefragt, die solle man gefälligst
endlich rausrücken, usw. usf. Nach mehreren Wochen hin und
her setzte Joachim von TESCO ein dezentes Schreiben auf, in
dem er um die Rückgabe der CD bat (in weiterem Sinne
"gebeten"). Tja, das hätte er wohl mal eher machen sollen,
denn daraufhin kam die CD wieder frei.
Ins Rollen gekommen ist die ganze Sache einfach dadurch, daß
TESCO meist in der Tschechei pressen läßt, und zwar im
selben Werk wie viele Glatzenbands. Das haben die Behörden
mal unter die Lupe genommen, wodurch auch TESCO ins
Fadenkreuz geraten sind. Lustigerweise wurde meine CD an dem
Tag wieder freigegeben, an dem bundesweite Razzia in der
rechten Szene war. Da waren wohl den Behörden die Lagerplätze
knapp geworden...
Zugeständnisse haben weder TESCO noch ich gemacht, und wir
hätten sie auch nie gemacht!

6.Wie Du weißt, gibt es sehr viele Gerüchte um Bands wie
DAGDA MOR und Organisationen wie TESCO, was zum Großteil
daran liegt, daß man eigentlich keine klaren Statements liest.
DAGDA MOR wird von einigen Leuten eindeutig in die rechte
Ecke gesteckt. Siehst Du Dich als politisch interessierten Menschen,

und ist DAGDA MOR ein Medium, das eine politische Botschaft
transportiert? Wie stehst Du zu solchen Vorwürfen?
Siehst Du Dich persönlichen Angriffen ausgesetzt bzw. hast Du
größere Schwierigkeiten mit staatlichen Institutionen wegen Deiner
künstlerischen Arbeit (wie z.B. DIJ auf ihrer letzten Tour)?
Natürlich bin ich ein politisch interessierter Mensch. Wer
sich in der heutigen Zeit nicht für Politik interessiert, ist
ein gesellschaftlicher Nichtsnutz! Das man über mich nicht
viel liest, liegt einfach daran, daß schon viel Müll
geschrieben wurde. Also, es wurden Interview-Fragen verdreht,
so daß die Antworten völlig sinnentstellt waren. Es wurden
Auszüge aus dem persönlichen Briefwechsel abgedruckt usw.
Mittlerweile benutze ich DAGDA MOR, um auch politische Bot-
schaften rüberzubringen, und das wird wohl in Zukunft noch
massiver werden. Schließlich will ich nicht den ganzen Frust
auf unsere "Regierung" in mich hineinfressen! Und was ist
daran ein Vorwurf, wenn man mich in die rechte Ecke stellt,
oder das meine Musik politische Botschaften transportiert?
Ich bin nun einmal ein national denkender Mensch (das waren
Marx und Engels übrigens auch), und ich sehe jeden Tag auf
Arbeit, daß die Kacke am dampfen ist. Und die Fettsäcke von
Politikern halten sich die Bäuche vor Lachen über ihr dummes
deutsches Volk. Und leider ist das Volk wirklich dumm, genau
wie seine Politiker! Sic!
Wenn ich mich mal persönlichen Angriffen ausgesetzt sehe,
welche ich übrigens schon mit Leuten jeglicher Art hatte,
dann kann ich mich meist meiner Haut erwehren. Und mit
staatlichen Institutionen hatte ich persönlich seit der
Vereinigung keine Probleme mehr.

7.Woher kommt Dein Interesse für germanische Mythologie? Die
häufige Verwendung des Begriffes "Hél" in Deiner Arbeit
fällt auf ("HÉLlish Souls" , "Komm, Kamerad, wir ziehn in
die Hél!"). Hat die Hél, die Unterwelt, eine besondere
Bedeutung für Dich und damit DAGDA MOR?
Für Mystik und Religionen interessiere ich mich eigentlich
schon ziemlich lange, nur hatte man in der "DDR" kaum
Möglichkeiten, an Literatur dieser Themen zu kommen. Nach
der Wende änderte sich das ja glücklicherweise, und ich
kaufte mir soviel Bücher, wie ich mir eben leisten konnte.
Und dadurch bin ich auf die keltische und germanische
Mythologien gestoßen, die ja praktisch vor unser aller Haus-
tür zu finden sind.Warum also in die Ferne schweifen?
Der Begriff "Hél" ist einfach irgendwann aufgetaucht, und
seitdem läßt er mich nicht mehr los. Außerdem beschäftige ich
mich viel mit der Gestalt Loki, und da stolpert man zwangs-
läufig über die Hél. Es ist einfach was faszinierendes an
diesem Ort, an dem doch die meisten von uns irgendwann
landen.

8.Das Artwork Deiner Cds, besonders der "This Sun For Europe",
vermitteln ein sehr martialisches, kämpferisches Bild von
DAGDA MOR. Aussagen wie der o.a. Schlachtruf unterstreichen
das nur noch. Siehst Du Dich als Kämpfer-wofür bzw. wogegen?
Speziell der Text zu "Triumph!" bringt mich zu der Ansicht,
daß dieser Kampf ein kultureller ist - "Kultur ist Wider-
stand". Gleichzeitig ist Kultur also auch die "Seele der
Nation" - also vielleicht ein Kampf der Kulturen?
Die "This Sun For Europe"-Maxi sollte bewußt ein
kämpferisches Bild vermitteln. Die Idee dafür basiert auf dem
Stück "Dresden", dessen Text ich mit ziemlicher Wut im Bauch
schrieb. Grund dafür waren die linken Gegendemonstrationen
zum 50. Jahrestag der Bombardierung Dresdens, bei denen man
Sprüche hörte wie "Deutsche raus aus Deutschland"(gesprochen
von deutschen Linken, die garantiert immer noch hier hausen)
oder "Es war richtig, daß damals so viele Menschen starben".
Ich mein’, was konnten die Leute dafür, das Krieg ist? Hitler
wollte den Krieg, nicht das Volk. Und wenn man etwas gegen
Hitler sagte, verschwand man einfach von der Bildfläche. So
geschehen mit den Leuten der KPD, aber auch mit sehr vielen
national-konservativ denkenden Menschen! Und dasselbe geschah
unter den internationalsozialistischen Regimen des Ostblocks!
Doch wenn ich mich selbst irgendwann einmal als "Kämpfer"
bezeichnen sollte, dann als Kämpfer gegen die Ohnmacht, die
man als Normalbürger gegenüber dem Staat empfindet. Auf
legalem Wege kann man hier ja nichts mehr ändern, dafür ist
die ganze Maschinerie bereits viel zu festgefahren!
Natürlich ist dieser Kampf auch oder hauptsächlich ein
kultureller Kampf, den der Staat auf lange Sicht verlieren
wird, da er antikulturell vor sich hin fault! Die meisten
Politiker denken sowieso nicht an das Volk, welches sie
eigentlich vertreten sollten, sondern nur daran, wie sie
ihre Schäflein ins Trockene bringen. 50 Jahre McDonalds-
Kultur haben ihr Werk gründlich verrichtet.

9."The Border Of The Light" ist z.T. live aufgenommen.
Trittst Du oft live auf, oder sind Konzerte eher selten?
Ist für die Zukunft etwas geplant, wenn ja, wann und wo?
DAGDA MOR-Konzerte sind schon eher Mangelware. Das liegt zum
Teil daran, daß die Angebote bzw. Nachfragen von Veran-
staltern nur spärlich hier eintreffen, aber auch daran, daß
ich nicht immer die Zeit für Konzerte habe. Mein Beruf hat
meist Vorrang, da der mir mehr Geld aufs Konto bringt. Leider
kann ich von DAGDA MOR nicht leben.
Das nächste Konzert findet am 6.12.1997 im Seehausclub in
Plauen/Vogtland statt. Außerdem treten noch CON-DOM und
THOROFON auf.

10.Im Booklet der neuen CD ist die LP "Die Nebel der Hél"
angekündigt. Wann können wir mit ihrer Veröffentlichung
rechnen, und auf welchem Label wird sie erscheinen?
"Die Nebel der Hél" wird hoffentlich im nächsten Jahr
erscheinen, aber eventuell wird es vorher eine Picture-7"
auf Membrum Debile Propaganda geben. Die LP werde ich wohl
im Eigenvertrieb verkaufen, doch erst einmal müssen die
finanziellen Mittel für die Herstellung zur Verfügung
stehen. Es wird auch nur eine kleine Auflage erscheinen.
 
 
 

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